Home
Links
Wir über uns
Kontakt
Froschblues - der Roman
Froschblues - Kapitel online
Wetter
Essen & Trinken
Kultur


Ein guter Tag zum Sterben
(J.B.O.)

Das regelmässige grauenerregende Fiepen stach unerbittlich in Burgsmüller komatösen Schlaf. Langsam schwamm sein Bewusstsein an die von schweren Kopfschmerzen umnebelte Oberfläche, um gleich darauf den aussichtslosen Versuch zu unternehmen, wieder in die gnädigen Dunkelwelten des Schlafes abzutauchen. Aber vergeblich. Obwohl er nicht mehr genau wusste, wie er den Weg von dieser öden Party der Alternativfraktion nach Hause gefunden hatte, schien er doch noch soviel Überblick gehabt zu haben, dass er das Folterinstrument des Weckers weiter als auf Armeslänge vom Bett entfernt aufgestellt hatte. Und das Fiepen wurde lauter und lauter. Verzweifelt warf er das Kopfkissen danach, verfehlte den Wecker, traf dafür das Radio, das in Zeitlupe von seinem Rack stürzte und so unglücklich auf den Boden aufkam, dass plötzlich mit den Worten: So weich! So weich wie noch nie! die Perwollreklame mit 120 Dezibel den Raum füllte. Erschöpft richtete sich Burgsmüller auf und erlitt dabei einen mittleren Kreislaufkollaps, der ihn wieder auf die Matratze warf. Burgsmüller machte einen zweiten Versuch sich aufzurichten und verspürte das dringende Bedürfnis sich zu übergeben. In diesem Zusammenhang stellte er fest, dass die Betthälfte neben ihm unbenutzt war. Er stürzte zur Tür, trat dabei mit dem rechten Fuß, der wohl gut mit siebzig Kilo belastet war, auf das Kopfkissen und den darunter befindlichen Reisewecker, was sofort einen stechenden Schmerz im Knöchel sowie das unangenehm knirschende Geräusch von zerquetschtem Plastik zur Folge hatte, allerdings auch die sofortige Einstellung dieses grotesken Fiepen, das sich zuletzt zu immer stärkeren Höhen hinaufgeschraubt hatte, riss an der Türklinke - und musste feststellen, dass die Tür abgeschlossen war. Burgsmüller kotzte zu den verzerrten Klängen von: Liebe ist, wenn es Landliebe ist! auf den kleinen Schlafzimmeraltar, den seine Hexe zwecks abendlicher Andacht "und damit auch etwas persönliches von mir in deiner Wohnung ist" dort installiert hatte. Ölzweig und Alabasterkreuz verschwanden unter einem Schwall Erbrochenes und bei dem bestialischen Geruch erinnerte sich Burgsmüller fragmentarisch, dass er gestern Abend unter dem frenetischen Beifallsgebrüll der anderen Männer die wohl gut gemessenen 5 Liter Krombacher damit gekrönt hatte, dass er dieses verdammte Duftwasser, panthagonische Birkenrinde oder so ähnlich, auf Ex getrunken hatte. Es war sechs Uhr morgens und er musste irgendwie ins Bad. Burgsmüller rüttelte vergeblich an der Tür. Diese Mistziege! Sein flackernder Blick streifte das Fenster und das heruntergezogene blaue Rollo. Er hinkte durch den halbdunklen Raum, stolperte über die wulstartig auf dem Boden liegende Wolldecke und bekam im lang Hinschlagen gerade noch den Zug des Rollos zu fassen, mit dem er prompt das ganze Ding aus seiner Verankerung riss. Burgsmüller fluchte laut und lange. Er rappelte sich hoch, öffnete die beiden Klappflügel und machte sich daran aus dem Fenster zu steigen, was ihm bis auf einen blutigen Riss im Ober-schenkel, den er sich am Rosenstrauch holte, auch leidlich gelang. Die Morgensonne schleuderte ihre Lichtlanzen durch seine geblendeten Augen direkt ins Schmerzzentrum seines gigantischen Katers und die häßliche Mittfünfzigerin, eine gewisse Juliana Dorp aus dem Haus hinter ihm, die gerade einen überdimensionalen Reisekoffer aus dem Wagen holte, schaute ihn indigniert an und sagte:
"Guten Morgen Herr Burgsmüller!".
Burgsmüller krächzte ihr einen undeutlichen Fluch vor die Klumpfüsse und humpelte um die Ecke in den Garten zur Küchentür, die schon seit Jahren nicht richtig schloss, rüt-telte an dem oben in der Tür eingelassenen Milchglasfenster, das interessanterweise aufging ohne ihn weiter zu verletzen, griff hinein und öffnete die Tür von innen. Er ta-stete sich an den beiden Bücherregalen entlang durch den halbdunklen Flur und tatsächlich, in der Schlafzimmertür steckte der Schlüssel von aussen. Er wollte gerade das Radio ausstellen, als ihm der infernalische Geruch des halb verdauten pantagonischen Birkenholzes in die Nase stieg und er soeben noch den rettenden Dreisprung ins Bade-zimmer schaffte, bevor es wieder aus ihm hervorbrach.
Diesmal schien es sich eher um Spinatauflauf, Tiramisu und irgendwas mit Krabben zu handeln, und das nächste hochkommende Erinnerungsfragment deutete ihm an, dass er wie besinnungslos diesen unglaublich leckeren Krabbencocktail in sich hinein geschaufelt hatte, als er zu späterer Stunde mit Nobby mal kurz allein in der Küche gewesen war. Burgsmüller stellte sich unter die Dusche und stieß einen hellen Schrei aus. Aus Versehen hatte er die Heisswasserzufuhr weit aufgedreht und verbrühte sich kräftig den Wanst.
Das Leben konnte so schrecklich sein. Durch die Schaumflocken des Duschgels fiel sein Blick auf die beiden restlichen Brausetabletten Alkaselzer. Er riss sie aus der Zellophanumhüllung, formte aus den Händen eine Schüssel und ließ Wasser drüber laufen. Es schäumte. Burgsmüller schluckte den kribbelnden Brei und hielt seinen Schädel noch einmal unter den kalten Wasserstrahl. My head's in Mississippi, fiel ihm die Zeile ein. Er wickelte sich in ein Badetuch und stapfte ins Schlafzimmer. Schon sieben Uhr. Um halb neun musste er im Büro sein, um seinen Pflichten als Referatsleiter Wirtschaft im Rathaus nachzukommen. In der Küche machte er sich zwei wachsweiche Eier und eine Scheibe Toast. Auf dem Berg schmutzigen Geschirrs lag ein handgeschriebener Zettel.
"Das war das letzte Mal, dass ich Dich besoffenes Chauvischwein nach Hause gebracht habe. Du kannst mich mal. Du bist das Letzte. Und das gilt auch für Deinen sauberen Freund Nobby. Annegret wird die Scheidung einreichen."
Burgsmüller runzelte die Stirn. Was ging sie denn das an?! Er löffelte seine Eier und las weiter.
"Meine Klamotten habe ich schon mitgenommen. Und ruf mich bloss nicht an. Ich bin endgültig fertig mit Dir. Luise." Burgsmüller grinste, knüllte den Zettel und warf ihn zum Altpapier. Wenn's das mal bloss wäre. Gewöhnlich rief sie nach zwei Wochen jeden zweiten Abend bei ihm an und beschwerte sich, dass er sich nicht melden würde. Dabei fiel ihm ein, dass er noch drei CD's bei ihr liegen hatte. Ausgerechnet seine Neuerwer-bungen: Orange Goblin, Manowar und Howlin' Wolfe. Naja. Er beendete sein Frühstück, machte die Sauerei im Schlafzimmer weg und stellte den Altar auf den Überboden.
Acht Uhr. Er musste allmählich los. Wenigstens liessen die Kopfschmerzen allmählich nach. Erstaunlich ruhig draussen. Kaum Autoverkehr. Burgsmüller band sich die Kra-watte vor dem Spiegel im Flur und schlüpfte in sein graues Jackett. Schwindlig war ihm und er schwitzte. Er schloss das Fenster im Schlafzimmer und sein Blick fiel zufällig auf die LED-Anzeige seines Multifunktionskalenders im echten Tschibodesign neben der Wohnungstür. Es war Sonntag. Er hatte frei.



FORTSETZUNG FOLGT!

Top